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Beitrag vom 03.03.2009
Sand und Tränen. Eine Dokumentation von Paul Freedman
Britta Leudolph
In Darfur werden seit Jahren Menschen systematisch ermordet, vergewaltigt und vertrieben. Dieser Völkermord ist weltweit bekannt, und doch werden die Opfer mit ihrem Schicksal allein gelassen.
Darfur – das ist eine fast vergessene Region im Westen des Sudans, etwa anderthalb mal so groß wie Deutschland. Die Lebensbedingungen sind hier seit jeher hart, besonders der Norden Darfurs ist geprägt von häufigen Dürreperioden und einer menschenfeindlichen Umwelt, in der kaum etwas wächst.
Seit Jahrhunderten siedeln hier zwei Volksgruppen: Zum einen arabische Stämme, die unter dem Namen Baggara zusammengefasst werden und traditionell als Nomaden von der Viehzucht leben. Zum anderen die afrikanische Stämme Fur, Masalit und Zaghawa, die Ackerbau betreiben. Ethnisch unterscheiden sich diese beiden Volksstämme kaum, es geht hier eher um sozial konstruierte Identitäten: Alle haben die gleiche Hautfarbe, alle sind MuslimInnen, fast alle sprechen arabisch. Der Unterschied ist, ob Arabisch die Muttersprache ist, oder die Zweitsprache.
Die Gründe für den Ausbruch des Darfur-Konfliktes 2003 sind vielfältig. Durch eine stetig wachsende Bevölkerung und mehrere Dürreperioden verknappten sich die natürlichen Ressourcen Wasser und fruchtbares Land seit den 1980er Jahren. Die Menschen in Darfur wurden von der Regierung in Karthum weitestgehend ignoriert, es gibt weder eine funktionierende Infrastruktur noch entwicklungspolitische Maßnahmen. Gegen diese Marginalisierung rebellierten die afrikanischen Stämme Darfurs, indem sie staatliche Einrichtungen angriffen. Daraufhin wurden arabische Milizen aus der Region, die Dschandschawid, von der Regierung mit Waffen ausgerüstet. Der Terror gegen die afrikanisch-stämmige Zivilbevölkerung begann. 2004 erklärten die Vereinten Nationen die Darfur-Krise zur "schlimmsten humanitären Katastrophe der Welt". Es wird davon ausgegangen, dass bis heute über 400.000 Menschen ermordet wurden oder infolge des Konfliktes verhungerten, über 2,5 Millionen wurden aus ihren Dörfern vertrieben.
Der Dokumentarfilm "Sand und Tränen" klagt vor allem die Ignoranz der Weltgemeinschaft an. Während westliche Regierungen Staaten wie China oder Russland gern an die Einhaltung der Menschenrechte erinnern, sind ihnen die Menschen in Darfur offensichtlich egal. Sie sind in Flüchtlingslagern untergebracht und werden dort von Hilfsorganisationen mit dem Nötigsten versorgt. Sie haben das Recht zu überleben, mehr nicht. Die Flüchtlinge können die Lager nur unter Gefahr für Leib und Leben verlassen: Männer werden sofort ermordet. Deshalb müssen die Frauen los, um Holz zu sammeln, ihnen droht die Vergewaltigung, die die Milizen systematisch als Terrorwaffe einsetzen. Für die Frauen ist dies besonders grausam: Der Sudan gehört weltweit zu den Ländern mit der höchsten Rate an weiblicher Genitalverstümmelung, der so genannten Beschneidung. Zudem wird eine vergewaltigte Frau von der Familie als Schande angesehen und verstoßen. Aus diesem Grund werden Vergewaltigungen von den Frauen häufig verschwiegen.
Nach dem Holocaust, den Genoziden in Kambodscha, Ruanda und Bosnien hieß es weltweit einhellig: "Nie wieder". Doch die Welt schaut erneut weg, obwohl das Ausmaß des Völkermordes im Sudan allen bekannt ist.
Paul Freedman lässt in seiner Dokumentation die Opfer in den Flüchtlingslagern ihre verzweifelte Lage schildern. AktivistInnen und Sudan-WissenschaftlerInnen, der "New York Times"-Journalist Nick Kristof und der Friedens-Nobelpreisträger Elie Wiesel sowie der U.S. Präsident Barack Obama sprechen über ihr Engagement für die Menschen in Darfur. "Sand und Tränen" wurde von Hollywood-Star und UNO-Sonderbotschafter George Clooney erzählt und produziert.
AVIVA-Tipp: "Sand und Tränen" ist ein verstörendes Zeugnis menschlicher Grausamkeit: Der Grausamkeit derer, die Menschen aufgrund ihrer Abstammung systematisch ermorden, vertreiben und vergewaltigen, aber auch der Grausamkeit derer, die von all dem wissen und wegschauen. Hier offenbart sich der Zynismus der westlichen Wertegemeinschaft: Der Sudan ist weder eine Bedrohung noch gibt es hier wirtschaftlich interessante Ressourcen, für die ein Eingreifen lohnen würde. Die Dokumentation zwingt die ZuschauerInnen, sich mit ihrem eigenen Verhalten auseinanderzusetzen und gibt Anregungen, wie man sich für die Opfer des Völkermordes im Sudan stark machen kann.
Weitere Infos:
www.sandandsorrow.org
www.savedarfur.org
Sand und Tränen
OT: Sand und Sorrow
USA, 2007, ca. 94 Minuten
Regie und Drehbuch: Paul Freedman
Kamera: Alexandre Naufel
ProduzentInnen: George Clooney, Michael Mendelsohn, Paul Freedman, Brad Kaplan, Natalie Lum Freedman
Sprachen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Bildseitenformat: 16 : 9, 1 : 1,85
FSK: ab 12 Jahren
DVD-Erscheinungstermin: 20.02.2009
16,99 Euro